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10.) Certo-Kamera-Werk Dresden, VEB Certo Kamerawerk Dresden (siehe auch unter Andere Kameras - Ausgewählte Certo-Baureihen)
Die Gründung der Firma erfolgt 1902 in Dresden-Johannstadt durch Alfred Lippert und Karl Peppel. Zunächst ist es nur eine kleine Werkstatt für Plattenkameras, ab 1905 expandiert das Unternehmen [1]. Es werden neue Gebäude in Großzschachwitz, Pirnaische Straße 11, genutzt und 1905 das Warenzeichen Certo (certus (lat.): sicher, zuverlässig) für Produkte wie Certo Nr. 0 (1905) oder die Certo-Damenkamera (1906) verwendet [1][8]. Im Jahr 1906 lautete die Firmierung dann auch CERTO Camera-Werk [8]. Emil Paul Zimmermann übernimmt 1917 die Fabrik [8]. Nach dem Ersten Weltkrieg umfasste das Kameraspektrum Modelle wie Certo 0, Certo 00, Certo I, II, III, VI, VII, VIII, XI, XII für verschiedene Plattenformate und mit wählbarer Objektivausstattung. In den 1920er Jahren wurden die Kameramodelle neben den Modellnummern auch mit Namen versehen, so wurde 1921 aus der Certo 00 eine Certofix , aus der Certo 0 eine Certosport, und aus der Certo I eine Certorex. Die erste Certo-Rollfilmkamera war die Certonet für das Format 6x9cm, entwickelt von Erwin Schulz [11]. Das Profil der Firma umfasste 1925, neben Zulieferarbeiten für andere Hersteller, eine breit gefächerte Kameraproduktion mit Kameras wie Certonet, Certoruhm, Certotrop, Certoplat, Certochrom, Certokunst. Die Certosport erfährt 1927 eine umfassende Überarbeitung und wird als Certosport Nr. XVII mit Aluminiumgehäuse und doppeltem Auszug angeboten. Ende der 1920er Jahre wurde das Plattenformat 6,5x9cm immer beliebter und Modelle wie Certoruf, Certolob, Certosport und Certolux konnten für dieses Format geliefert werden. Die Erweiterung des Betriebes mit einem von 1928-1929 erfolgten Neubau mit 2000m² Arbeitsfläche und jetzt etwa 150 Mitarbeitern schaffte bessere Produktionskapazitäten [11]. In den 30er Jahren wurden neben anderen Rollfilm- und Planfilm-Klappkameras auch die Rollfilmkameras Certo Dolly, Super-Sport-Dolly, Certix und die Boxkameras Certo-Box A, Certo Doppel-Box und die Certo Box B gefertigt [6]. Die Certo-Dollina war 1935 die erste Kleinbildkamera im Programm [1][8]. Kurz nach ihrem Erscheinen erfolgte dann die Ablösung durch die in der Ausstattung abgestuften Springkamera-Modelle Dollina 0, Dollina I, Dollina II . Das Spitzenmodell Dollina III mit einem gekuppelten Koinzidenz-Entfernungsmesser wurde 1938 durch die Super-Dollina ersetzt. [8] Fritz von der Gönna übernahm 1944 die Geschäftsführung des Unternehmens, nach Kriegsende trat sein Sohn Eckart von der Gönna als zweiter Geschäftsführer in die Firma ein [11].
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte trotz russischer Demontage der Fabrik bereits 1946 mit ausgelagerten Maschinen und Material die Produktion der Super-Dollina wieder aufgenommen werden [2]. Es existieren auch Dollina-0-Kameras, die einer Nachkriegspoduktion zugeordnet werden können. Der Certo-Ingenieur Erhard Hempel konstruierte die Durata, eine einfache Kleinbild-Klappkamera mit Frontlinsenfokussierung und optischem Klappsucher, die ab 1948 gefertigt werden konnte [11]. Unter seiner Verantwortung wurden die Super-Dollina und die Durata nochmals weitgehend umkonstruiert und 1950 als Super-Dollina II (mit gekuppelten Koinzidenz-Entfernungsmesser) und Durata II (vereinfachtes Modell) auf den Markt gebracht [11], die offizielle Vorstellung erfolgt zur Leipziger Frühjahrsmesse 1951 [2]. Die Super-Dollina II wurde auch mit der Bezeichnung Certo Super 35 für den amerikanischen Markt gefertigt. Auf Grund der immer noch vorhandenen Nachfrage wurde die Tropen-Klappkamera für das Planfilmformat 6,5x9cm zu Beginn der 1950er Jahre wieder neu herausgebracht [13]. Die hochwertige Certo-Six 6x6 Rollfilmkamera (ebenfalls mit gekuppeltem Entfernungsmesser) kam 1953 auf den Markt [2]. Zu Beginn der Fertigung wurde das Modell kurzzeitig als Certo Super Six beworben und dann in Certo-Six umbenannt [12]. Preiswerte Amateurkameras der 1950er und 1960er Jahre waren waren die Certo-phot (1958) [8] für Rollfilm 6x6cm und die Certina (etwa ab 1964) für Rollfilm 6x6 und 4x4cm. Die Certina wurde auch als Revue Junior vom Versandhaus Quelle in Fürth angeboten [5], bei der Koinor 120 handelte es sich um eine argentinische Lizenzproduktion der Certo-phot. Hier wurden Baugruppen in Dresden vorgefertigt und in Argentinen montiert. Im Jahr 1960 entstand auf der Basis der Certo-phot die Certo-matic 6x6 mit Nachführbelichtungsmessung [8][10]. Ab 1958 übernahmen Arnim und Eckart von der Gönna die Certo-Geschäftsführung [2]. Eine 24x36mm Kleinbildkamera mit Blendenautomatik war die ab 1962 produzierte Certi [2], bei der die Stellung des Belichtungsmesswerkes im Moment des Auslösens mechanisch die Blende bestimmte. Die Certo KB 24 und ihre Schwestermodelle Certo SL 100 (mit Kunststoffobjektiv) und Certo SL 101 (mit 2-Element-Objektiv aus optischem Glas) waren Kunststoff-Sucherkameras für den Kleinbildfilm 135 (KB 24) bzw. die SL-Schnellladekassette (SL 100/101). Sie waren von Harald Kubis für das Aufnahmeformat 24x24mm konstruiert worden. Nachdem bereits 1959 eine staatliche Beteiligung von 30% aufgenommen worden war, wurde Certo 1972 verstaatlicht und 1980 dem Kombinat VEB Pentacon zugeordnet [8][10], als 1985 schließlich Pentacon an das Jenaer Zeiss Kombinat angegliedert wurde, war das bisher zumindest juristisch noch existierende VEB Certo-Kamerawerk Dresden endgültig nur noch eine Pentacon-Produktionsstätte [2]. Seit der Angliederung an Pentacon durften bereits keine eigenen Entwicklungen mehr erfolgen. Die letzte neue Kleinbildkamera, die Certo 135, konnte deshalb nicht mehr in die Produktion überführt werden [4]. Von den Certo-Mitarbeitern wurde all dies, wie auch in anderen vergleichbaren Fällen innerhalb der Dresdner Fotoindustrie, durchaus als „feindliche Übernahme“ betrachtet [4]. Bis 1982 wurden in größeren Stückzahlen noch die einfachen Kleinbild-Sucherkameras wie die Certo SL 110 (24x24mm mit SL-Kassette) oder die Certo KN 35 (24x36mm mit Patrone 135) gebaut [2]. Ab 1982 wurden schließlich keine Certo-Kameras mehr gefertigt [8]. Ein zusätzliches „Dresdner“ Montageband für die Beirette vsn und SL 300 der Kamerafabrik Freital konnte bereits im Jahr 1976 in Betrieb genommen werden [7]. Ab Januar 1984 wurde auch die Exa-Herstellung in das frühere Certo-Werk verlagert. Diese Exa 1b und Exa 1c sind durch das ”C” vor der Seriennummer erkennbar. [3][8][16]
Certo-Quellen:
[1] Hummel, Richard: Spiegelreflexkameras aus Dresden. Edition Reintzsch Leipzig 1995, S. 97f.
[2] Hummel, Richard: Spiegelreflexkameras aus Dresden. Edition Reintzsch Leipzig 1995, S. 142f.
[3] Hummel, Richard: Spiegelreflexkameras aus Dresden. Edition Reintzsch Leipzig 1995, S. 182f.
[4] Zeitzeugenbericht des Certo-Konstrukteurs Harald Kubis
[5] Sammlung Kurt Tauber Pegnitz; http://www.kameramuseum.de/
[6] Kadlubek, G.: Kadlubeks Kamera Katalog. Edition PHOTODeal 2000
[7] Kadlubek, G.; Beier, W.: Kameras um Dresden herum - Beier, Pouva, Welta & Co.
Lindemanns Verlag 2003, S. 147
[8] Thiele, Hartmut: Die Deutsche Photoindustrie - Wer war Wer. Privatdruck München 2002, S. 36f.
[9] Leipziger Frühjahrsmesse 1939. Photofreund, Heft 6/1939. Photokino-Verlag GmbH Berlin
[10] Jehmlich, Gerhard: Der VEB Pentacon Dresden. Sandstein Verlag Dresden 2009, S. 95f.
[11] Seit 50 Jahren Certo-Kameras. Die Fotografie, Heft 4/1952. W.-Knapp-Verlag Halle/S., S. 123f.
[12] Certo Camera-Werk von der Gönna und Söhne. Prospekt Certo Super six 1954 mit Aufstempelung der Namensänderung in Certo-Six
[13] Wir stellen vor: Klappkamera 6,5x9 (Tropenmodell). Die Fotografie, Heft 4/1952. W.-Knapp-Verlag Halle, S. 123
[14] Blumtritt, Herbert: Die Geschichte der Dresdner Fotoindustrie. Lindemanns Verlag, 2000, S. 152
[15] Certo Camera-Werk von der Gönna und Söhne. Bedienungsanleitung Certo-six 1957
[16] Wichmann, Klaus: EXA - die preiswerte Kleinbildreflex. Lindemanns Verlag 1997, S. 43
[17] Katalog Feinmechanik-Optik. Photo-Kino 1956. Karte Nr. 53
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